Man kennt sie, die Bösewichte, die von allen geliebt werden – manchmal sogar mehr als der Held selbst. Als Beispiele für beliebte Bösewichte könnte man Loki, Moriarty, Grant Ward (Agents of Shield) oder den Master/die Mistress (Dr. Who) nennen.

Warum aber werden sie überhaupt geliebt? Schließlich sind sie „die Bösen“. Sie sind die, die besiegt werden müssen, diejenigen, die nicht gewinnen dürfen, sondern von den Helden der Geschichte in ihre Grenzen gewiesen werden müssen. Solange „das Böse“ die Oberhand hat, ist die Geschichte noch nicht vorbei. Und wenn sie es doch ist, hat sie kein „Happy End“ oder ein „offenes Ende“. Solange das Böse frei und vergnügt herum spaziert, erwartet man einen zweiten Teil.

Und trotzdem: Obwohl der Bösewicht der Geschichte dazu verdammt ist besiegt werden zu müssen, um die Story zu einem befriedigenden Ende zu bringen, hat er oft eine ziemlich große Fangemeinde.

Was macht diese Bösewichte so sympathisch?

Um einen „guten Bösewicht“ zu erschaffen, gibt es eine einfache und klare Regel:

Erschaffe eine lebendige Figur, keinen stumpfen Bösewicht.

Niemand auf dieser Welt ist einfach nur grundlos „böse“. Wir alle haben unsere eigene Vergangenheit, unsere eigenen Erfahrungen und unsere eigene Weltanschauung. Was du als verachtenswert empfindest, ist für jemand anderen vielleicht völlig legitim.

Auch dein Bösewicht sollte also nicht nur schlechte Handlungen ausführen, um dem Helden zu schaden, weil der eben der Gute ist und dein Antagonist der Böse. Eine solche Figur wirkt platt, überflüssig und ist nicht einmal unsympathisch, sondern einfach nur langweilig.

Wie auch dein Held, braucht dein Antagonist einen Grund, um das zu tun, was er tut.
Er braucht nicht nur einen Namen und ein Aussehen, sondern auch eine Vergangenheit. Er braucht eigene Erfahrungen, die ihn zu dem gemacht haben, der er heute ist. Er braucht erklärte Ziele, Grundsätze und Prioritäten, die ihn zum Handeln bewegen. Eine eigene Weltanschauung und eigene Wertvorstellungen. Diese Wertvorstellungen müssen obendrein nicht einmal unbedingt schlecht oder böse sein.

Der Bösewicht am Beispiel Lokis (aus dem Film „Thor“)

Er hintergeht Thor und am Ende auch Odin selbst, um auf den Thron zu gelangen. Das tut er aber nicht aus reiner Machtgier, oder weil er einen schlechten Charakter hat (auch wenn er durchaus den Hang dazu hat, ein Blödmann zu sein).

Loki ist der festen Überzeugung, dass er einen Führungsanspruch hat. Zum einen ist er älter als Thor, was ihn nach den normalen Regeln zum Thronerben macht. Trotzdem will Odin Thor auf den Thron setzen, da dieser sein blutsverwandter Sohn ist, während er den älteren Loki „nur“ adoptiert hat. Loki wird also zurückgestoßen und erfährt hier Ablehnung von seinem geliebten Vater, die seinem Frust Nahrung gibt. Zusätzlich findet er heraus, dass er nicht einmal aus Walhall stammt, sondern aus der Welt der Eisriesen und von Odin nach einem Krieg mitgenommen wurde. Er ist der Sohn des damaligen Königs der Eisriesen. Auch hier hätte er also Anspruch auf den Thron gehabt.
Nach Lokis Empfinden hat Odin ihn entführt, ihn damit um seinen Herrschaftsanspruch bei den Eisriesen gebracht und ihm dann auch noch den Thron der Asen verweigert, obwohl er der ältere (wenn auch adoptierte) Sohn ist. Da Loki seine Zieheltern sehr geliebt hat, trifft ihn dieser doppelte Verrat durch Odin schwer. Das ist der Punkt, an dem er  anfängt, Rache zu nehmen und seine Wut gegen seinen Ziehvater und seinen Stiefbruder zu richten. Um dem Allvater zu schaden, will er dessen geliebten Sohn Thor zu Fall bringen, wozu er sich schließlich an den von seinem Bruder so geliebten Menschen vergeht.

Loki ist das perfekte Beispiel für einen Antagonisten, der eine ganz eigene Geschichte und vor allem eine eigene Sicht der Dinge hat. In seinen Augen handelt Loki angemessen und korrekt: Er wurde betrogen und nun versucht er sich im Alleingang das wiederzuholen, was ihm seiner Meinung nach von Geburt an zusteht. Und auch er erfährt Verluste in dem von ihm ausgelösten Krieg:  Als seine Ziehmutter in einem Kampf stirbt, leidet er stark unter ihrem Verlust.

Zusammenfassung

Achte bei der Erschaffung deines Antagonisten also auf folgende Punkte:

  • Name/Identität
  • Familienverhältnisse
  • Aussehen/Auffälligkeiten (Tätowierungen, Narben, Schmuck etc.)
  • Vergangenheit/Geschichte
  • Weltanschauung/Wertevorstellungen
  • Prioritäten
  • Charakterzüge
  • Ziele und Wünsche/Träume
  • Gefühlswelt
  • Verdeckte oder offen gezeigte Leidenschaften/Interessen
  • Einblick in die Psyche deiner Figur

Im Grunde baust du deinen Antagonisten genauso auf, wie deinen Protagonisten. Der einzige Unterschied besteht darin, dass du die zwei auf unterschiedliche Positionen setzt.
Dabei kämpft der Held meistens auf der Seite jener Wertevorstellungen, die von der Allgemeinheit unterstützt werden (zum Beispiel Spiderman). Auf der anderen Seite steht dann der Antagonist (zum Beispiel Harry Osborn als der grüne Kobold).

Prota = Anta – Wer ist denn dann der Böse?

Wenn der Antagonist genauso wie der Protagonist aufgebaut wird, stellt sich die Frage, wieso er dann als „der Böse“ wahrgenommen wird. Das wird durch zwei Techniken erreicht:

  1. Die Perspektive
  2. Die Wahl der Methoden

Das Buch wird meistens aus der Perspektive des Helden geschrieben. Der Leser empfindet den Helden als den Guten, weil er die Hauptfigur der Geschichte ist.
Außerdem folgt der Held einer innerlichen, ethisch anerkannten Moral, mit deren Prinzipien er manchmal vielleicht zu kämpfen hat, ihr am Ende aber doch folgt.
Der Antagonist folgt dieser Moral nicht und ist demnach freier in seinen Methoden. Spätestens wenn er die ersten Menschenleben als Kollateralschaden verursacht hat, steht er als Bösewicht fest und muss das Spiel verlieren.

Du hast nun also die Bausteine, um dir deinen eigenen „guten“ Bösewicht zu erschaffen.
Viel Spaß dabei! 🙂

Über die Autorin

Ally J. Stone wurde 1987 in Berlin geboren und ist dort auch aufgewachsen. Mit dem Schreiben hat sie bereits früh
begonnen, sich aber während der Schul- und Ausbildungszeit eher an Gedichte, kurze Storyplots und dem Verfassen
von fortlaufenden Geschichten mit Schreibpartnern gehalten. Erst mit Ende ihres Autorenstudiums 2014 hat sie
angefangen, wirklich ernsthaft an ihrem ersten Roman zu arbeiten.

Ihr Erstling „Blutsbande“ wurde im Dezember 2015 veröffentlicht und ist der erste von drei Bänden aus der Trilogie
„Geliebtes Blut“. Aktuell arbeitet sie am Finale der Trilogie: Bruderkrieg.

Ihre bisher veröffentlichten Bücher sind auf ihrer Amazonseite zu finden: Ally J. Stone

 

Kontakt

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