Um ein Buch zu schreiben, hat sich “Rohfassung -> Überarbeitung -> Lektor -> Überarbeitung -> Korrektor -> Feinschliff” als gute Reihenfolge erwiesen. Manche schicken ihr Buch auch zweimal ins Lektorat oder zweimal ins Korrektorat. Manche fügen Testleser hinzu, andere wieder lassen Lektor und Korrektor weg (warum du das nicht tun solltest, kannst du hier nachlesen). Ein Phänomen, das ich hin und wieder beobachte, sind allerdings Autoren, die an den verschiedenen Überarbeitungsschritten hängen bleiben und ihr Buch nicht fertig kriegen.
Warum du mit der Überarbeitung nicht fertig wirst
Das Schreiben eines Buches gliedert sich immer in verschiedene Prozesse. Mit dazu gehören verschiedene Runden der Überarbeitung, von denen es mindestens drei geben sollte. Maximal sollten es vier bis allerhöchstens fünf Runden sein, wenn dein Manuskript die Extrarunden wirklich braucht, weil du zum Beispiel Testleser mit einbindest.
Manchmal aber überarbeiten und überarbeiten und überarbeiten wir unsere Bücher, ohne jemals fertig zu werden. Das liegt selten daran, dass dein Manuskript wirklich so schlecht ist, dass du aus dem Überarbeiten gar nicht mehr herauskommst. Falls das der Fall ist, empfehle ich dir, dein Buch erstmal ein paar Monate liegen zu lassen, um aus diesem Kreislauf des Überarbeitens rauszukommen und danach mit frischen Augen neu ans Werk zu gehen.
Was aber, wenn dein Manuskript nicht total schlecht ist und du trotzdem nicht aufhören kannst, es immer weiter zu verbessern? Das kann verschiedene Gründe haben, die Hauptangst ist aber in der Regel die selbe: Andere Menschen werden dein Buch lesen und bewerten.
Die Bewertung deines Manuskripts
Eigentlich sollte es dir nicht so viel ausmachen, wenn dein Manuskript bewertet wird. Immerhin bist du es auch gewohnt, in der Schule Hausaufgaben und Klassenarbeiten abzugeben, die dann nicht nur bewertet, sondern auch benotet werden. Bei Klassenarbeiten bist du vermutlich auch aufgeregt gewesen, aber bei weitem nicht so sehr emotional involviert, wie bei deinem eigenen Buch.
Der Grund ist, dass du an ein Buch schon mit einer ganz anderen Einstellung herangehst. Eine Hausaufgabe ist etwas, das dir jemand anderes aufgetragen hat. Du erfüllst die Aufgabe und gut ist. Ein Buch aber kommt aus dir selbst. Es ist deine Idee, es sind deine Figuren und es ist deine Welt. Alles, was in diesem Buch vorkommt, trägt ein Stückchen deiner Seele in sich und zeigt Einblicke in dein Innerstes. Mit einem Buch legst du auch immer ein Stück deiner Selbst dar. Und das plötzlich öffentlich zu präsentieren, kann einem schon mal Angst einjagen.
- Was ist, wenn sie es nicht mögen?
- Was ist, wenn sie mein Buch kritisieren?
- Kritisieren sie dann nicht auch mich?
- Werden sie mich für diese oder jene Szene verurteilen?
- Was werden die Leute über mich denken?
Ob es dir bewusst ist oder nicht, diese und ähnliche Fragen laufen vermutlich in Dauerschleife durch dein Bewusstsein bzw. Unterbewusstsein. Wir Menschen sind Rudeltiere und es ist uns in der Regel wichtig, was andere von uns denken (ja, auch denen, die immer sagen, dass sie Menschen hassen und niemanden brauchen). Das hat den ganz einfachen Grund, dass wir einander brauchen, um zu überleben.
Du spielst also nicht nur mit einer Befindlichkeit, du kämpfst mit einer tief verwurzelten Urangst, wenn du dich nicht traust, die Überarbeitung abzuschließen und dein Buch jemandem zu zeigen. Und es ist völlig okay, diese Angst zu haben. Nicht okay ist es, dein Buch an sie zu verlieren.
Was du tun kannst, um die Angst zu überwinden
Wenn du nicht aufhören kannst, dein Buch zu überarbeiten, liegt das meist daran, dass es dir noch nicht perfekt erscheint. Manche Autoren haben diesen Gedanken im Kopf, dass sie ausschließlich perfekte Bücher in die Welt entlassen dürfen. Deshalb suchen sie immer weiter nach Stellen, die sie verbessern, Sätzen, die sie polieren und Fehlern, die sie ausmerzen können. Sie nehmen ihr Buch also Runde um Runde in die Überarbeitung, ohne je fertig zu werden. Das sind übrigens die Autoren, die nicht veröffentlichen.
Willst du veröffentlichen, musst du diese Ängste in den Griff kriegen und dein Buch schlussendlich loslassen. Das kann unheimlich schwer fallen und einiges an Überwindung kosten. Schauen wir uns ein paar Übungen an, die du machen kannst, um dir diesen Prozess zu erleichtern.
“The Shining” lesen
Was Stephen King mit deiner Angst zu tun hat? Einiges. Ich empfehle dir, die deutsche Version dieses Buches zu lesen, am besten die älteste Ausgabe, die du auftreiben kannst. Ich habe es im Regal, weil mir der Nachfolger “Dr. Sleep” empfohlen wurde und ich zuerst den ersten Band lesen wollte.
“The Shining” ist ein Verlagsbuch und es ist wie gesagt von King. Dieser Autorenname dürfte jedem bekannt sein und ich übertreibe vermutlich nicht, wenn ich behaupte: Er hat seinen Weg gemacht. Das besondere an diesem Buch: Es strotzt vor Rechtschreibfehlern. Höchstwahrscheinlich wurde im deutschen Korrektorat einfach geschlampt. Hat das King’s Ansehen geschadet und seine Karriere ruiniert? Eher nicht.
Mach dir klar, dass auch große Autoren Fehler machen und keine perfekten Bücher abliefern. Dass auch Verlage nicht immer die beste Arbeit leisten. Dass wir alle Menschen und Fehler total okay sind.
Deinen Fanboy / Fangirl testlesen lassen
Gib das Manuskript einer Person, von der du weißt, dass sie dich total gern hat und (notfalls auf deine Bitte hin) überschwänglich lobt und mit Liebe für dein Buch überschüttet. Sie sollte also genau das tun, was du in der Überarbeitung deines Buches nicht gebrauchen kannst. Schließlich brauchst du in der Regel ehrliche Kritik, die dir weiterhilft. In diesem Schritt geht es aber nicht darum, dein Buch zu verbessern, sondern dich darauf vorzubereiten, es an den Lektor / Korrektor zu geben oder in die Welt zu entlassen. Die nützliche Kritik holst du dir von anderen Leuten.
Lass dich mit Liebe und Begeisterung überschütten, bis du selbst daran glaubst, wie toll deine Geschichte ist. Mit so viel positiver Bestärkung fällt es dir leichter, verborgene Ängste zu überwinden, die Überarbeitung abzuschließen und mit deinem Buch den nächsten Schritt zu machen.
Deine Geschichte als Leser lesen
Leg den Rotstift beiseite, mach dir eine Tasse Tee und kuschel dich auf deiner Couch ein (oder einer Liege in der Sonne). Und dann lies dein Buch einfach mal von Anfang bis Ende durch. Erlaube dir, ganz Leser zu sein, die Geschichte zu entdecken, dich mit deinen Figuren anzufreunden und dich in dein eigenes Buch zu verlieben. Was ist dir besonders gut gelungen? Welche Figur magst du am liebsten? An welchen Stellen fieberst du mit?
Eine andere Perspektive auf das Buch kann dir helfen, die Dinge so zu sehen, wie sie wirklich sind und nicht, wie du sie dir in deinen schlimmsten Gedanken ausmalst.
Starte einen Blog
Beginne einen Blog, in dem du kurze Geschichten oder andere Artikel veröffentlichst. Das muss nicht unbedingt etwas mit deinem Buch zu tun haben, aber es trainiert den Prozess. Ein Blogartikel ist ein Text, den du schreibst, den du überarbeitest und den du veröffentlichst. Andere Leute lesen deinen Text, kommentieren ihn und geben Feedback. Mit der Zeit wirst du dich weiterentwickeln und bessere Blogartikel schreiben, die noch besser ankommen.
Dabei trainierst du dich drauf, Texte zu schreiben und zu veröffentlichen und merkst vor allem, dass davon weder die Welt untergeht, noch andere Menschen dich deshalb ablehnen.
Schalte deinen Kopf ab
Manchmal hilft alles nichts. Die Gedanken kreisen und kreisen, ohne dass du es schaffst, sie wirklich unter Kontrolle zu bekommen. Immer wieder ist da ein “Ja aber” oder ein “Was wenn”. Wenn dein Kopf sich von dir nicht kontrollieren lässt, schalte ihn einfach ab und handele nach Autopilot. Du hast dein Buch nach der Rohfassung überarbeitet? Gut, dann ist der nächste Schritt das Lektorat. Schick es einfach ab, ohne groß darüber nachzudenken, was du vorher noch schnell verbessern oder überarbeiten könntest. Dein Buch geht erst ins Lektorat. Es muss nicht perfekt sein. Der Lektor ist dazu da, es auseinander zu nehmen, dir Schwachstellen aufzuzeigen und mit dir gemeinsam aus deinem Manuskript ein tolles Buch zu machen.
Du bist mit allem fertig, willst aber nur noch mal zehn bis zwanzig Runden Feinschliff einlegen, bevor du es veröffentlichst? Lass es. Dein Buch hat einen Lektor gesehen, einen Korrektor, es wurde von dir drei- bis viermal überarbeitet und vielleicht hattest du sogar noch Testleser. Das ist völlig ausreichend. Natürlich wird es deshalb nicht perfekt sein, aber das ist kein Buch. Es gibt immer jemanden, der es nicht mag, das passiert selbst den größten Bestsellern. Und es wird immer mal einen Tippfehler geben. Allein schon aufgrund der Masse an Worten und der Tatsache, dass auch dein Lektor und dein Korrektor nur Menschen sind. Das ist aber alles kein Beinbruch.
Was du unbedingt beachten solltest
Die obigen Tipps dienen dazu, dein Selbstbewusstsein zu stärken. Du sollst dich selbst dahingehend manipulieren, dass du bereit bist, dein Buch gehen zu lassen. Das bedeutet natürlich nicht, dass du schlampen solltest. Ein Buch voller Rechtschreibfehler abzuliefern, wie bei der deutschen Ausgabe von Shining, ist natürlich keine gute Idee. Arbeite gewissenhaft und handwerklich korrekt, bevor du dein Buch an den Lektor gibst oder veröffentlichst. Nur verrenne dich nicht in den Gedanken, dass es perfekt sein soll. Hier musst du einen guten Mittelweg finden, um ein gutes Buch abzuliefern, das du aber eben auch ablieferst.
Wie bei vielem gilt: Das Gefühl für das richtige Maß kommt mit der Zeit. Wenn du merkst, dass du nicht weiter kommst, weil du immer und immer wieder überarbeitest, versuche dich an den obigen Übungen. Und vor allem: Entspanne. Es ist aufregend, ein Buch zu veröffentlichen und es ist immer noch ein Teil von dir – aber wer sagt denn, dass dieser Teil etwas schlechtes ist? Vielleicht ist es ja genau dieser Teil von dir, der die Menschen begeistert.
Warst du schon mal in einer Überarbeitungsschleife gefangen? Was hast du getan, um dein Buch doch noch zu veröffentlichen?
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